Das Janusgesicht in Corona-Zeiten
2021, April 2021„Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.“ – Johann Wolfgang von Goethe
Janus ist ein römischer Gott mit zwei Gesichtern, der nur in der römischen Mythologie vorkommt. Er hat keine Entsprechung in der griechischen Sagenwelt. Als Gott der Anfänge ist er der Namensgeber des Monats Januar. Janus ist der Gott mit zwei Gesichtern, von dem sich das deutsche Wort ‚janusköpfig‘ ableitet. Es bedeutet so viel wie zwiespältig oder ambivalent. Der Gott Janus selbst war bei den Römern anders als vielfach vermutet sehr angesehen. Er gilt als der eigenständigste und beliebteste Schutz-Gott der Römer. Als Gott der Türen und Tore ist Janus der Gott, dem alle Anfänge heilig sind. Er blickt in zwei – nicht nur in eine Richtung – er eröffnet und verschließt zugleich. Nicht die Tür entscheidet, ob sie sich verschließt oder öffnet, sondern der Mensch handelt. Janus symbolisiert die Dualität unseres Seins wie etwa Leben und Tod, Licht und Finsternis, Anfang und Ende, Zukunft und Vergangenheit, usw. Die Erkenntnis, dass alles Göttliche immer einen Gegenspieler hat, kennen wir im Christentum auch. Janus war für die Römer für all ihre Unternehmungen und Feldzüge sehr bedeutsam, denn diese erforderten klare und eindeutige Entscheidungen. Bereits damals war es schwierig, weil die Zukunft genauso unsicher und widersprüchlich war wie heute.
Die Konjunktur in der Pandemie – zwei Seiten einer Medaille
Selten zuvor steht das wirtschaftliche Geschehen so im Zwiespalt wie jetzt. Auf der einen Seite brummt die Exportgüterindustrie, die sich vor Aufträgen kaum retten kann. Auf der anderen Seite welkt die Dienstleistungsindustrie vor sich hin. Diese zweigeteilte wirtschaftliche Prosperität steht ganz im Zeichen des zweiten und des beginnenden dritten Lockdown. Als Konjunkturlokomotive für die westlichen Industriestaaten erweist sich einmal mehr China. Die Überwindung der Pandemie kommt in dieser Volkswirtschaft schneller voran als in vielen anderen Staaten. Auch in den USA wurde ein „Impfturbo“ gezündet mit der Folge, dass über ganz unkonventionelle Methoden bereits weite Teile der Bevölkerung geimpft wurden. Damit kehrt dort in absehbarer Zeit wieder eine gewisse Normalität im öffentlichen Leben ein. Ausgehend von China wurde in Deutschland, und insbesondere auch in den USA, ein riesiger Nachfrageschub ausgelöst, der vorhandene Erwartungen bei Weitem übertroffen hat und außerhalb der Vorstellungen vieler Beobachter lag. Rekordverdächtig sind die Exportaufträge für die deutsche Industrie. Diese Entwicklung führt dazu, dass sich die Lieferzeiten für Vorleistungsgüter verlängern. Die Blockade des Suezkanals führt uns deutlich vor Augen, wie fragil die Lieferketten in unserer globalisierten Wirtschaft sein können. In einer Studie von Lloyds gehen die Fachleute von einem Schaden in Höhe von USD 400 Mio. pro Stunde aus. Des Weiteren ist zu konstatieren, dass ein Mangel an verfügbaren Containern die Frachtraten verdreifachte. Hinzu kam auch, dass in der Automobilindustrie elektronische Bauteile nicht termingerecht geliefert werden konnten und dies zu Stilllegungen von Förderbändern führte. In den USA gehen viele Volkswirte inzwischen davon aus, dass die Wirtschaft im laufenden Kalenderjahr um über 6 Prozent wachsen könnte und die Konjunktur damit überhitzt. In China geht es mit mehr als 8 Prozent nach oben während in Europa sich das Wirtschaftswachstum auf ca. 3,5 Prozent beschränken dürfte. Die Ursachen für das schwache Wachstum in Europa sind bekannt und lassen sich in dem Wort „Chaos“ auf den Punkt bringen.
Totgesagte leben länger – die Inflation zieht an
Dieser Auftragsboom hat zur Folge, dass die Kosten für Vorleistungen und Transportdienstleistungen kräftig angestiegen sind und zu einem erheblichen Teil auf die Endverbraucherpreise überwälzt werden. Damit können die Gewinnmargen, gerade bei exportorientierten Unternehmen, noch ausgebaut werden. Auf der Schattenseite der konjunkturellen Entwicklung stehen die Unternehmen des Dienstleistungssektors. Bedingt durch die massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens mit der anhaltenden Schließung von Restaurants, Bekleidungsgeschäften, Freizeiteinrichtungen oder Reisebeschränkungen müssen erhebliche Umsatzeinbußen hingenommen werden. Viele Unternehmen stehen am Rande des Ruins oder denken über eine Geschäftsaufgabe nach. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass es in diesen Branchen zu einem erheblichen Abbau in der Beschäftigung kommen wird. Die überraschend starke Inflationsentwicklung sowohl in den USA als auch in der Eurozone beherrschte zuletzt das Geschehen an den internationalen Rentenmärkten.
Aktien erklimmen ein neues Hoch!
An den Aktienmärkten erreichten viele Indices neue Höchststände. Das verabschiedete Konjunkturprogramm in den USA sowie Äußerungen vonseiten der US-Notenbank, bis Ende 2022 keine Zinserhöhungen vorzunehmen, beflügelte viele Börsenteilnehmer neue Investmentengagements einzugehen. Die Börse nimmt die Zukunft vorweg. In Erwartung einer Öffnung für die Zeit nach der Pandemie kam es bei den Aktien zu einem Favoritenwechsel. Anstelle der klassischen Wachstums- und Qualitätsaktien erholten sich die von Corona so stark gebeutelten Value-Aktien überdurchschnittlich. Ob das dauerhaft bleibt, darf an dieser Stelle bezweifelt werden. Die Geschäftsmodelle der Zukunft dürften andere sein als die in der Vergangenheit. Digitalisierung und die kommende technologische Entwicklung werden die Wachstumstreiber bleiben. Qualitätsunternehmen und stabile Geschäftsmodelle sorgen trotz hoher Bewertung für solide Erträge. Bedenken Sie: es gibt ein Leben nach Covid-19! Deshalb richten wir den Blick nach vorn und nicht zurück! „Geh dorthin, wo der Puck sein wird. Nicht dahin, wo er war.“ Dieses Zitat von Wayne Gretzky ist aktueller denn je.